Interview mit
Thomas Rabe

Thomas Rabe
Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann
Thomas Rabe
Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann
CEO Thomas Rabe sieht Bertelsmann operativ und finanziell in einer hervorragenden Verfassung. Im Interview spricht er über die künftige Strategie auf dem Weg zu Bertelsmann_next.
„Wir werden unsere Strategie
weiterentwickeln.“
„Wir werden unsere Strategie weiterentwickeln“

Herr Rabe, Sie haben Ihr Amt als Bertelsmann-CEO vor zehn Jahren mit einer klaren strategischen Agenda angetreten – und diese dann Zug um Zug umgesetzt. Welche Bilanz ziehen Sie heute?

Vorstand, Management und Mitarbeitende haben in diesem Jahrzehnt bei und für Bertelsmann wirklich enorm viel erreicht. Das Unternehmen steht heute genau so da, wie wir es uns damals vorgenommen hatten: Es ist deutlich wachstumsstärker, digitaler, internationaler und diversifizierter. Bertelsmann ist operativ und finanziell in einer hervorragenden Verfassung. Das bestätigt die jüngste Bilanz, die wir in diesem Geschäftsbericht vorlegen, mit ihren Rekordergebnissen. An der Erfolgsgeschichte haben alle Unternehmensbereiche mitgeschrieben. Ich persönlich zähle zu den Höhepunkten der vergangenen Dekade die Bildung von Penguin Random House als weltweit führender Buchverlagsgruppe, den Wiedereinstieg in das Musikgeschäft BMG, die Neuaufstellung des Dienstleistungsbereichs Arvato, den Einstieg in das Bildungsgeschäft und den Aufbau der Fondsaktivitäten mit dem Bereich Bertelsmann Investments sowie schließlich die Gründung wichtiger Allianzen und Partnerschaften. Mit ihnen positionieren wir uns gemeinsam viel stärker als bislang im Wettbewerb mit den globalen Tech-Plattformen.

Dann hat die bisherige Strategie also Bestand, und Bertelsmann wird keinen Strategiewechsel vollziehen?

Einen Strategiewechsel braucht Bertelsmann nicht. Schließlich liegen wir mit unserem Kurs richtig. Erfolge und Ergebnisse sprechen für sich. Weil aber Herausforderungen wie die Digitalisierung oder die angesprochene Wettbewerbssituation nicht kleiner, sondern eher größer werden, werden wir unsere Strategie weiterentwickeln.

Mit welchem Ziel nehmen Sie diese Weiterentwicklung vor?

In den kommenden Jahren steht bei Bertelsmann alles unter dem großen, übergeordneten Leitgedanken Wachstum. Wir wollen möglichst organisch wachsen, wo nötig aber auch durch Akquisitionen. Ich erwarte, dass Bertelsmann in einen Boost, einen richtigen Wachstumsschub, kommen wird. Um ihn auszulösen, verfolgen wir fünf klare strategische Wachstumsprioritäten.

Welche sind das?

Zunächst wollen wir nationale Media-Champions aufbauen, wo immer wir das Potenzial dafür haben. In Deutschland ist das beispielsweise rund um die Mediengruppe RTL und Gruner + Jahr der Fall. Es ist nur folgerichtig, dass die beiden Unternehmen sich vor einigen Wochen zur Prüfung einer noch engeren Zusammenarbeit entschlossen haben. Das ist ein echtes Chancenbündnis und ein Paradebeispiel für einen nationalen Media-Champion. Darüber hinaus werden wir zweitens massiv weiter in unsere globalen Inhaltegeschäfte mit ihren weltweit attraktiven Formaten investieren, also in Penguin Random House, Fremantle und BMG.

… wofür wiederum die Übernahme von Simon & Schuster ein Modellfall wäre?

Das stimmt. Die Ankündigung der Übernahme im Herbst 2020 gehörte für mich strategisch zu den Höhepunkten des vergangenen Jahres. Denn diese Akquisition schafft enormen Mehrwert für unser Unternehmen. Wir bauen unsere Position als eines der führenden kreativen Inhalteunternehmen gerade in den USA aus. Wir stärken noch einmal unser ältestes Kerngeschäft. Das Buchgeschäft ist Teil unserer Identität und ein Inhaltegeschäft erster Güte. Wir bei Bertelsmann wissen und fördern das seit 1835. Heute wächst der Buchverkauf physisch mit gedruckten Büchern genauso wie digital. Immer wieder erweist die Branche sich zudem als robust und widerstandsfähig. Die Anziehungskraft des Buches ist ungebrochen.

Und die strategischen Prioritäten drei bis fünf?

Sie erstrecken sich zum einen auf den Ausbau der globalen Dienstleistungsgeschäfte mit ihren großen, oft internationalen Kunden, zum anderen auf den unserer Online-Bildungsaktivitäten rund um die beiden Anker-Unternehmen Relias und Alliant in den USA. Und schließlich bauen wir die Zahl der Beteiligungen in unserem weltweiten Fondsnetzwerk immer weiter aus, um neben attraktiven Investmentmöglichkeiten auch einen Fuß in die Tür zu interessanten jungen Unternehmen zu bekommen.

Zum Thema Corona: Welche Lehren zieht Bertelsmann aus der Pandemie?

Die wichtigste Lehre ist und bleibt, dass man es in einem Unternehmen schaffen kann, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor einer solchen Pandemie zu schützen, wenn alle an einem Strang ziehen und frühzeitig die richtigen Weichen stellen. Wir haben das weltweit mit Maßnahmen wie dem Verbot von Dienstreisen und Konferenzen oder dem Wechsel ins Homeoffice getan, aber auch mit massiven Hygienemaßnahmen vor Ort zum Schutz der Beschäftigten in den Betrieben. Alles in allem ist es uns gelungen, das Infektionsgeschehen im Unternehmen auf ein Minimum zu reduzieren.

Und wirtschaftlich?

Wirtschaftlich hat die Pandemie einen Einschnitt markiert. Im zweiten Quartal ist der Umsatz massiv eingebrochen – aber schon danach haben wir uns schnell erholt und auf das Gesamtjahr gesehen nur wenig Umsatz verloren und Rekordergebnisse erzielt.

Woran lag das?

Es gibt dafür aus meiner Sicht drei wesentliche Gründe: erstens die breit diversifizierte Aufstellung unserer Geschäfte, die nicht alle und im gleichen Umfang von der Krise betroffen waren. Es ist uns ja in den vergangenen Jahren gelungen, neben der RTL Group mit Penguin Random House und Arvato zwei weitere große Ergebnissäulen aufzubauen. Zweitens der inzwischen hohe Umsatzanteil von rund 50 Prozent, den unsere Digitalgeschäfte erwirtschaften, die teilweise in der Krise noch einen Sprung nach vorn gemacht haben. Und drittens die frühe und entschlossene Gegensteuerung zur Sicherung der Liquidität von Bertelsmann, ohne dabei die Substanz der Geschäfte zu gefährden.

Gibt es auch positive Erkenntnisse aus der Pandemie?

Natürlich freut sich jeder auf den Tag, an dem alle wieder ein normales Leben führen können. Aber wir im Unternehmen werden sicherlich die Erkenntnis mitnehmen, dass die Arbeitswelt nach Corona flexibler werden wird und dass wir nicht in die Zeit vor der Pandemie zurückfallen dürfen. Wir arbeiten gerade konzernweit an hybriden Arbeitsmodellen, die dem gerecht werden.

Noch einmal zurück zur Eingangsfrage: Nach fast zehn Jahren an der Spitze von Bertelsmann hat der Aufsichtsrat im Januar 2021 Ihren Vertrag für eine dritte Amtszeit verlängert, um weitere fünf Jahre. Was war oder ist das für Sie persönlich für ein Gefühl?

Ich freue mich auf die dritte Amtszeit als CEO eines Unternehmens, das mich heute noch genauso begeistert wie bei meinem Antritt. Gemeinsam haben wir wirklich viel erreicht. Jetzt liegen weitere spannende Aufgaben vor uns. Und ich bin dem Aufsichtsrat, in dem ich seit zehn Jahren einen wertvollen Sparringspartner und Impulsgeber habe, genauso dankbar wie den Gesellschaftern von Bertelsmann, dass sie mir die Führung des Unternehmens für weitere fünf Jahre anvertraut haben. Das ist ein Zeichen großer Kontinuität, aber eben auch des erklärten Willens, Bertelsmann weiter zu verändern und „Bertelsmann_next“ zu schaffen.